Künstler, die uns aufgefallen sind: Rafael Domenech

Erschienen in Monopol, am 17. Dezember 2020

Nein, eigentlich seien das keine Lampen, sagt Rafael Domenech. Zumindest nenne er sie nicht so. Seine Galerien allerdings mitunter schon. Verdenken kann man es ihnen nicht. Schließlich sehen die Objekte, die der 1989 in Havanna geborene Künstler von der Decke hängen lässt, genauso aus wie die Küchenlampe, die man immer schon haben wollte – nur viel schöner. Domenech hat die vertraute Form ausgeborgt, um so getarnt, seine Ideen zu transportieren. Manche der leuchtenden Objekte wirken wie hängende Collagen aus Fotos und Texten. Auf anderen stehen nur kurze, oft kämpferisch poetische Sätze über Schmerz, Schweigen, Aufbegehren. Was ihn beschäftigt, sind die Zusammenhänge zwischen Formen, Strukturen und menschlichem Zusammenleben, Ökonomie, Technologie und Kultur, Produktionsbedingungen, die er auch selbst stets mitdenkt, die Codes und Mechanismen der globalisierten Welt.

Domenech betrachtet deshalb alle seine seine Objekte und Installationen auch als Publikationen oder Bücher. Bücher im eigentlichen Wortsinn macht er übrigens auch, vor allem solche, die einen in ihrer Beschaffenheit herausfordern, aktiv werden lassen: In einem, das er während des Zoom-Interviews in die Kamera hält, sind die Seiten so gefaltet, dass man sie, um die Bilder sehen zu können, aufreißen müsste.

Ob Objekt oder Buch, am Anfang eines jeden Projekts steht für Domenech die Auseinandersetzung mit dem Raum. Der Raum, in dem er sich in diesem Jahr noch mehr als sonst aufhält, ist New York. 2010 emigrierte Domenech dorthin, musste seine kubanische Heimat zurücklassen. Er sei damals noch einmal geboren worden, weil er sich in einem System wiederfand, dass er nicht verstand. Von einer Zeitreise spricht er, von einem Übergang, der weiterhin andauere. Konkret führte ihn dieser zunächst an die New World School of the Arts in Miami, dann an die Columbia University in New York.

Sein Studio hat er heute in Yonkers, im Norden New Yorks, fern der durchgentrifizierten Kunstzentren. Dort liest er und probiert Ideen aus, während die tatsächlichen Werke oft erst vor Ort in der Ausstellung entstehen. Seine Umgebung erkundet er am liebsten zu Fuß: „Wenn man die Landschaft versteht, entwickelt man eine überdeutliche Wahrnehmung des Raumes, sodass kleinste Momente in den Blick geraten“, sagt er. Solche Momente hält er in Fotos und in konkreter Poesie fest. „Notations from an American landscape“ nennt das Notizbuch, das er stets bei sich trägt.

Zur Art Cologne hatte Domenechs Galerie Hua geplant, „Green Go Home“ zu zeigen, ein Projekt der Künstler Thomas Vu und Rikrit Tiravanija, in dem diese zeitgenössische Formen des Widerstands dokumentieren und dafür regelmäßig weitere Kollaborateure suchen – wie etwa Domenech. Als Ersatz war die Installation im November im Showroom der Berliner Galerie zu sehen und aktuell in erweiterter Form. Im Frühling wird Domenech dort eine Einzelausstellung haben und, wenn alles gut geht, zuvor einige Wochen in Berlin verbringen. Um eine neue Stadt spazierend zu erkunden.

Beate SchederMonopol, Kunst