Kolumne vom 27. August 2015

Hinter den weißen Stoffbahnen, die den Galerieraum abtrennen, beginnt eine neue Welt: Meine Füße versinken infeinem Sand, warmes rotes Licht strahlt auf meine Haut, im Hintergrund plätschert ein monotones Geräusch vor sichhin. Fast könnte man meinen, Michael Müller hätte seine Ausstellung bei Thomas Schulte als tröstendes Naherholungsgebiet für die Daheimgebliebenen konzipiert. Primär ist „Berührung“ jedoch genau wie „Die Welt interessiert sich nicht für den Sinn“ – die zweite kleinere Ausstellung findet zeitgleich im Window Space statt – Teil des 18-teiligen Ausstellungszyklus, mit dem der Berliner Künstler seit 2013 die Galerie inMitte bespielt. Dieser umfasst mal Ausstellungen, mal Performances, die nur einen Abend andauern. Bei der aktuellen ist der Titel Thema. Die Kunst- und Alltagsobjekte, die im Raum verteilt sind, handeln alle auf die eine oder andere Weise von Berührungen: Bleistiftzeichnungen zeigen explizit Sexuelles, ausgestreckte Hände oder die Dreiecksbeziehung zwischen Lou Salomé, Friedrich Nietzsche und Paul Rée; vier an die Wand gemalte, sichaneinander schmiegende Kreise verkörpern den Satz von Descartes. Die Objekte berühren einen wortwörtlich, wie der Sand, der einem zwischen die Zehen rutscht, oder sichgegenseitig, wie die zum Turm gestapelten Plastikstühle. Allesamt berühren sie die Sinne (bis 12./19. 9. Di.–Sa. 12–18 Uhr, Charlottenstr. 24).

Durch einen Vorhang schlüpfen muss man auch, umdie Ausstellung von Silke Nowak bei Teri Garten zu sehen. Jener ist zwar sogar bunt gemustert, aber dennoch leichter zu übersehen als der weiße bei Thomas Schulte. Teri Garten ist ein kleiner, vom Künstler Paul Sochacki betriebener Projektraum, der sichhinter und unter dem Teegarten und -Laden Thirsty Moon verbirgt. Das muss man wissen. Gezeigt werden dort ineinem schmalen Hinterzimmer und im Kellerraum die Arbeiten befreundeter Künstler. Nowaks Ausstellung, bei der man sich inihren feinen Aquarell- und Tusche-Zeichnungen verlassener Käfige, surrealer Treppenkonstruktionen und geometrischer Anordnungen verlieren kann, ist erst die zweite, die hier stattfindet. Auch im Teeladen hängt noch eine Arbeit der Berliner Künstlerin zwischen der charmanten Einrichtung aus zusammengesammeltem Schanghaier Art déco. Sie zeigt eine fensterlose graue Betonklötzchenlandschaft, auf der sichvon abgezirkelten Flächen tiefgrünes Gras indie Höhe streckt. Während man diesem nachsinnt, sollte man unbedingt ein Glas des eiskalten weißen Anji-Tees kosten, der im Thirsty Moon ausgeschenkt wird. Der belebt zusätzlich noch (bis 12. 9., Di.–Sa. 13–19 Uhr, Tucholskystr. 47).