Kolumne vom 14. Dezember 2017

Im Alltag fristen Leitplanken ein Schattendasein. Dabei ist ihre Funktion durchaus bemerkenswert, sorgen sie im Straßenverlauf doch sprichwörtlich dafür, dass keiner vom Weg abkommt. Allerdings kommt man so einfach auch nicht dazu, sie einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Düst man an ihnen vorbei, verschmelzen sie zu Linien inder Landschaft, prallt man dagegen, hat man gewiss anderes im Kopf als über deren Rolle im öffentlichen Raum zu reflektieren. Nachholen lässt sich das nun bei Konrad Fischer,wo Rita McBridesknallblaue „leitplanken“ einen fünfeckigen Einbau inmitten der Galerie umschließen. Einfach so, jenseits von Funktionalität, aber umso auffälliger (bis 17. 2. 2018, Di.–Sa. 11–18 Uhr, Lindenstr. 35).

Besondere Eigenschaften besitzen auch die Stoffe, mit denen sich Ella Goerner auseinandersetzt. Das Schwermetall Wolfram zum Beispiel, das aufgrund seines hohen Schmelzpunktes früher inGlühbirnen steckte und heute überwiegend inelektronischen Geräten verarbeitet wird. Bedenklich ist das inmehrfacher Hinsicht. Wolfram steht auf der Liste sogenannter Konfliktmineralien und außerdem unter Verdacht gesundheitsschädlich zu sein. Auf Goerners Gemälde „dubbing tungsten“ hängt es als sinister dreinblickender Geist an der Zimmerdecke. Es ist Teil einer Serie digitaler Malereien, die Goerner derzeit präsentiert von The Composing Rooms im Zweitraum von Pushkin & Gogolzeigt. Mineralerze schweben darauf auf Farbwirbeln durch architektonische Interieurs, so pittoresk, dass man es glatt für das Editorial eines Modemagazin halten könnte, wäre da nicht der ökoaktivistische Impetus der Sujets (bis 15. 01. 2018, nach Vereinbarung che@thecomposingrooms.com, Schillerstr. 6).

Weniger giftig – zumindest auf den ersten Blick – sind die Bällchen, die bei Dafna Maimon die Hauptrolle spielen: Falafel. In der Galerie Wedding hat die Künstlerin den Imbiss ihres Vaters wieder aufgebaut, den dieser inden 1980er-Jahren als ersten Dönerladen Helsinkis eröffnete. Zu essen gibt es inihrem „Orient Express“ zwar nichts, aber man kann sichden Werbefilm ansehen, den Maimons Vater damals entwickelte. Der wäre in seinerhalbsurrealen 80er-Jahre-Anmutung an sichschon sehenswert; Maimon nimmt ihn noch dazu als Ausgangspunkt für eigene Versionen, indenen sie mit Untertiteln und Perspektivwechseln Exotismen, Identitätsfragen sowie Erinnerungen an ihre Kindheit und ihren patriarchalen, notorisch untreuen Vater nachspürt (Rundgang mit Dafna Maimon und Kuratorin Solvej Helweg Ovesen 14. 12. um17 Uhr; bis 13. 01. 2018, Di.–Sa. 12–19 Uhr, Müllerstr. 146/147).