Kolumne vom 24. November 2016
Über das Wetter nachdenken – bei Barbara Bloom wird daraus eine poetische Betrachtung übers Sehen und Nichtsehen. Als Sehende sagen sie mir nichts, die Braille-Punkte auf den Teppichen; als Blinde könnte ich sie zwar ertasten, dann aber nicht erkennen, wie fein die Wetterbeschreibungen auf die Farbe der Wolle abgestimmt sind, hätte vermutlich sowieso ganz andere, nichtvisuelle Assoziationen zu Wind, Schnee, Regen, Nacht. Andere als die, die Bloom sich laut der Broschüre der Galerie Capitain Petzel von Joyce, Murakami und du Maurier geborgt hat. Im ersten Stock setzt sie ihr Thema fort, stellt dort Sätze in Braille-Schrift – nun von Roland Barthes, Ludwig Wittgensteins, Hannah Arendt und Dorothy L. Sayers, allesamt über die Schwierigkeit, Dinge sinnlich zu erfassen – denselben in kleinsten Buchstaben gegenüber. Dazu Fotografien von Übersinnlichem – ist den Augen überhaupt zu trauen? (bis 7. 1., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Karl-Marx-Allee 45).
Im Kabinett des Ramon Haze besser nicht. Durch eine Schranktür gelangt man bei KOW in die wunderliche Sammlung, die anscheinend ihre besten Zeiten schon hinter sich hat. Kein Wunder, schließlich handelt es sichbei Haze umeinen Kunstdetektiv aus ferner Zukunft, der über unsere Zeit forscht. Mit haarsträubenden Ergebnissen. Man begegnet schäbigen WC-Schüsseln – Duchamp’schen „Fountains“, die Haze ineinem Dresdner Keller gefunden haben will, der explosiven Skulpturengruppe „Salpeter“ – zugeordnet einem gewissen politischen Künstler namens Andreas Baader, Fliesen-Stücken –, der vermeintlich bedeutenden Künstlerin Ruth Tauer, der eingetrockneten Version eines Jeff-Koons-Equilibriums – kaum erhalten seien dessen Werke, weil viel zu aufwendig. Ein begehbares Gedankenexperiment über die Macht des Zufalls und der Lücke in der Überlieferungskette (bis 29. 1., Mi.–So. 12–18 Uhr, Brunnenstr. 9).
Zeitreisen auch bei Christian Ganzenberg und Simon Elson von der ohne festen Ort agierenden Kunsthandlung Elson Ganzenberg & Cie, die Überkreuzverbindungen zwischen Naturstudien aus dem 19. Jahrhundert und Zeitgenössischem bilden. Nach erster Ausstellung in einer Münchner Traditionskunsthandlung gibt es nun in Berlin– mit Verlaub – mehr auf die Fresse. Frei nach Mike Tyson versammelt „Everybody has a plan until they get punched inthe face“ an zwei Orten Positionen aus dem 19. wie 21. Jahrhundert, mehr assoziativ-konfrontativ als Traditionslinien folgend (Showroom Glampe: Eröffnung 25. 11., 19 Uhr, 24. 11.–3. 12. + 7. 12.–11.12., 12–18 Uhr, Südstern 6; Showroom Klemm’s: Eröffnung 26. 11., 19 Uhr, Di.–Sa. 11–18 Uhr, Prinzessinnenstr. 29).