Kolumne vom 29. September 2016
Als Carsten Höller vor sechs Jahren den Hamburger Bahnhof mit Rentieren bevölkerte, wurde noch wild über die Rolle von Tieren in der Kunst diskutiert. Mittlerweile scheint diese gefestigt, was zuletzt etwa Anne Imhof am selben Ort mit zahmen Falken bewies. Auch für Björn Braun ist es nicht das erste Mal, dass er sichKollaborateure in der Tierwelt suchte. Für seine Schaubei Meyer Riegger unter anderem Mäuse, Raben, Würmer und Kaninchen. Im Tiergarten hatte er Kartoffeln, Äpfel und Rettiche verteilt, die er von diesen anknabbern ließ. Interessanterweise vertilgen die Würmer, Nager und Vögel solches Futter nämlich nie ganz und auf einmal, sondern peu à peu und wenn man so will partizipativ. Anschließend sammelte Braun Obst und Wurzeln wieder ein, goss die Formen inIndustriebeton, Gips und Zinn ab und türmte sie zu Säulen auf. Ohne Anfang und Ende wie bei Brancusi, jedoch mit den Bissspuren der Tiere, mal kleiner, mal größer. Wer mag, kann versuchen, sie den Spezies zuzuordnen (bis 22. 10., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Friedrichstr. 235).
Nicht die Fauna, sondern die Flora ist – wie so häufig – Thema der Videoarbeiten Hicham Berradas, mit denen die Galerie Wentrup ihre neuen zusätzlichen Räume WNTRP an der Potsdamer Straße einweiht. Berrada beschäftigt sichdarin mit Blüten, mit der Ästhetik von Blütenständen. Scheinbar, denn das, was der Künstler da mit Hochgeschwindigkeitskameras aufgenommen undinZeitlupe zu surrealen Bewegtbildern ausgedehnt hat, imitiert die irre Selbsterhaltungskraft der Natur nur. In Wirklichkeit sind es Formationen von Eisenteilchen in Flüssigkeit über einem Magnetfeld (bis 30. 10., Di.–Sa. 12–18 Uhr, Potsdamer Str. 91).
„Is there Life on Mars?“ Aber ja, und zwar weibliches. Zumindest wenn es nach Marianne Vlaschitz geht. Die Künstlerin hat in ihrer Ausstellung bei Duve die Galerieräume in das Innere eines Raumschiffs verwandelt, in dem eine weibliche Besatzung sich auf die Reise zum roten Planeten begibt. Die Idee ist eigentlich mehr als naheliegend – Frauen sind leichter und verbrauchen weniger Lebensmittel –, dennoch gibt es bislang kaum Raumfahrerinnen. Von dieser Überlegung, die die Nasa bereits in den 1960ern aufstellte, ohne daraus Konsequenzen zu ziehen, geht Vlaschitz aus und spinnt sie weiter zur feministischen Utopie. Sie entwirft einen matriarchal geprägten Kosmos inPink- und Blautönen inklusive kultureller Mission. Ihr Raumschiff transportiert nämlich nicht nur ihre Weltraumpionierin, sondern auch comichafte Gemälde und eine Heldengalerie der vier (fiktiven) ersten Frauen auf dem Mars (bis 29. 10., Di.–Fr. 11–18, Sa. 12–16 Uhr, Gitschiner Str. 94/94a).