Kolumne vom 7. Juli 2016

Die Zeichnung ist ein künstlerisches Genre, das gerne unterschätzt wird. Dabei ist es gerade die Reduzierung auf das Wesentliche, auf Linie und Hintergrund nämlich, das die Zeichnungen, die derzeit inder Michael Fuchs Galerie zu sehen sind, so faszinierend macht. Gezeigt werden Arbeiten von zehn – wie Kurator Stephan Köhler sie nennt – „systematischen“ Zeichnern. Damit meint er solche, die sich bestimmte Regeln oder (analoge) Codes auferlegen, nach denen sie das Papier füllen. Mathematische etwa, wie bei Timo Nasseri, solche der Repetition wie bei Ignacio Uriarte oder solche der Verdichtung wie bei Jorinde VoigtBettina Kriegs großformatige Zeichnungen ziehen einen förmlich ins Papier hinein. Feine Linien überziehen inklaren Strichen die Bögen, treffen inder Mitte wie ineiner Naht aufeinander, sodass die Arbeiten fast dreidimensional wirken.

Tatsächlich inden Raum hinein geht hingegen Keita Mori. Mit Klebstoff fixierte er Baumwollfäden an der Galeriewand, umspannt damit Ecken und entwirft so abstrakte Landschaften. Nadine Fecht hat erst fein säuberlich Punkte aufs Papier gereiht und sie dann mit Spucke verschmiert. Wenigstens hält sie aber auch da von Reihe zu Reihe dieselbe Richtung ein, mal geht es nach oben, mal nach unten. „Der Rest ist Ordnung“, behauptet die Künstlerin im Titel der Arbeit und hat zumindest bezogen auf die Ausstellung vollkommen Recht (bis 13. 8., Auguststr. 11–13, Di.–Fr. 10–18 Uhr, Sa. 11–18 Uhr).

Dass die Bildhauerin Leunora Salihu bei Tony Cragg studiert hat, merkt man ihren Arbeiten in gewisser Weise an. Wie die Skulpturen ihres Lehrers sind sie zwischen Abstraktion und Figuration angesiedelt, wie Cragg setzt sich Salihu mit Materialien und deren Eigenschaften auseinander. Ihre Objekte erinnern an Alltagsgegenstände, an Architektur, Möbelstücke oder Maschinenteile, Salihu übernimmt von deren Form jedoch immer nur Elemente. Sie konzentriert sich auf Details, Strukturen, Muster und setzt sie dann etwa inTon, Keramik, MDF oder Holz um. Und entzieht ihnen damit ihre Funktionalität: Ihr „Propeller“ kann sich genauso wenig drehen, wie ihre „Kette“ sich bewegen. Die neuen, derzeit bei Thomas Schulte ausgestellten Arbeiten sind überwiegend Keramiken. Gefertigt wurden diese inden riesigen Öfen des European Ceramic Work Centers inden Niederlanden. Von dem Fertigungsprozess rührt auch der Titel der Ausstellung her: „Eternity suddenly happens“. Wie eine Schwester im Geiste von Jenny Brockmann (siehe Seite 15) spielt sie damit auf den Moment an, der knetbare Masse in eine feste Form brennt (bis 27. 8., Di.–Sa. 12–18 Uhr, Charlottenstr. 24).