Kolumne vom 9. Juni 2016
Die erste Ausstellung von Karin Sander in den Räumen Johnens ist zugleich die letzte in der Galerie. Nachdem Jörg Johnen und Esther Schipper im vergangenen Jahr ihren Zusammenschluss angekündigt hatten, zieht das Johnen Archiv nun zu Schipper ans Schöneberger Ufer. Grund genug, die alten Räumlichkeiten noch einmal genauer zu betrachten – Sander präsentiert sie fast leer, schärft so den Blick auch auf sich selbst beim Besuchen einer Ausstellung ohne offensichtliche Kunstwerke. Und sie verlangsamt den Schritt, denn einzig den Fußboden hat sie verändert: „Floor“ ist ein skulpturale Intervention, die Sander erstmals 1991 in New York realisiert hatte. Wie schon damals hat sie der Galerie einen doppelten Boden verpasst, auf dem man quasi dahinschwebt. Ein paar Aussparungen hat er – für Türen, Schreibtisch und die zweite charmante Arbeit: drei Postkartenständer gefüllt mit Galeriegeschichte. Jede Ausstellung, die Johnen in32 Jahren gezeigt hat – inKöln wie in Berlin, 252 an der Zahl – dokumentiert Sander mit einer Fotopostkarte, die Kunst, die Installation, die Räume (bis 8. 7., Di.– Sa. 11–18 Uhr, Marienstr. 10).
Um Letztere geht es auch bei Renée Green. „Placing“ heißt ihre Ausstellung bei Nagel Draxler, in der sie sich gewohnt komplex und multimedial mit der Wahrnehmung von Zeit und Raum beschäftigt. „Begin Again, Begin Again“, heißt es mantraartig inder gleichnamigen Videoarbeit. Hiersein und Dortsein, Leben und Überleben zwischen den Jahren 1887, dem Geburtsjahr des Architekten R. M. Schindler, und 2015, dem Entstehungsjahr der Arbeit. Assoziativ verknüpft Green – nicht nur im Video, sondern auch inder Installation inder Galerie– Parallelen zwischen ihrem und Schindlers Leben und Schindlers Theorien über Raum, denen sie sichpoetisch und mittels Found Footage annähert (bis 3. 9., Di.–Fr. 11–19, Sa. 11–18 Uhr, Weydingerstr. 2/4).
Kaum einen besseren Raum als die König Galerie könnte man sich für die Arbeiten von Jeremy Shaw vorstellen. Inder ehemaligen Kapelle zeigt er Bilder spiritueller Versunkenheit. Mit veränderten Bewusstseinszuständen – durch Chemie, Ekstase, Hypnose oder was auch immer – setzt sichShaw schon seit Längerem auseinander. Hier hat er Fotografien zusammengetragen, die Menschen inMomenten transzendenter Entrücktheit zeigen, bei religiösen Praktiken, beim Beten oder Singen, aber auch beim Eintauchen invirtuelle Realitäten. Vor jeder ein dreidimensionaler Rahmen, der kaleidoskopartig das Bild bricht und nahezu comichaft den Taumel visualisiert, sodass einem selbst fast schwindelig wird (bis 10. 7., Di.–So. 11–18 Uhr, Alexandrinenstr. 118–121).