Den Regenbogen von Weitem betrachten: Etsu Egami
Essay im Katalog von Etsu Egami, erschienen im Juni 2024 bei DCV
Jacques Derrida leitete seinen Neologismus différance von dem französischen Verb différer ab. Différer bedeutet einerseits abweichen, andererseits verzögern, im zeitlichen Sinne. Mit différance verweist Derrida auf den Unterschied zwischen Schrift und gesprochener Sprache und verdeutlicht dies schon im Begriff selbst: Phonetisch scheint es sich bei différance und différence um dasselbe Wort zu handeln, erst die Verschriftlichung macht sichtbar, dass ein Buchstabe nicht übereinstimmt. Mit seiner Sprachphilosophie schließt Derrida an Ferdinand de Saussures Zeichentheorie an, spitzt diese jedoch radikal zu. Eine unmittelbare Sinnvermittlung ist seiner Ansicht nach durch Sprache unmöglich. Nur im Zusammenspiel und in Abgrenzung voneinander erzeugen sprachliche Zeichen Bedeutung. Sinn befindet sich demnach in einem kontinuierlichen Prozess des Wandels.
Es passt gut, dass Etsu Egami Derridas différance als Referenz für ihre Kunst heranzieht. Um die Uneindeutigkeit insbesondere gesprochener Sprache und die Verschiebung von Bedeutung geht es auch ihr. Bei Sprache, so erklärt sie es, handle es sich gleichermaßen um eine Form der Kommunikation, wie um eine Hürde in der Verständigung…