Kolumne vom 4. August 2016

Der Name des ein Jahr andauernden Projekts von Apartment Project passt zu den undurchsichtigen Verhältnissen unserer Zeit, in der Türkei, aber nicht nur: „Mist“, also Nebel heißt es. Künstler_innen aus Istanbul, Izmir und Mardin wohnen und arbeiten dabei gemeinsam in dem Neuköllner Raum, einer ursprünglich aus Istanbul stammenden Künstlerinitiative, gegründet von Selda Asal. „Wer weiß, wo wir sind?“, lautet die Leitfrage von Mist, der sich die Künstler_innen filmisch, performativ, mit dem Magazin Sis und in Gesprächen und Diskussionen widmen. Apartment Project stellte sich als erster Projektraum beim diesjährigen Project Space Festival vor, mit Arbeiten aus dem ersten Monat von Mist und einer Lecture-Performance von Merve Ünsal zur Macht der Bilder.

Jeden Tag im August, wenn Galerien klassischerweise Sommerpause machen, ist beim Project Space Festival ein anderer der nichtkommerziellen Räume an der Reihe, die inder Berliner Kunstszene für Vielfalt sorgen. Neu sind indiesem Jahr nicht nur die Kuratoren – Marie-José Ourtilaneund Heiko Pfreundt– erstmals werden auch vier überregionale Projekträume vorgestellt, die nomadisch Quartier in Berlinbeziehen. Ein Blick ins Programm und indie Räume lohnt sichumso mehr (Apartment Project: Do.–Fr. 15–19 Uhr, Hertzbergstr.­13, www.projectspacefestival-berlin.com).

Vom Sehen und Gesehenwerden handeln indes die Videoarbeiten von D. N. Rodowick, mit denen die Galerie Campagne Première aufwartet. „The Wanderers“ ist die Gegenüberstellung von zwei Filmklassikern aus den 1950er Jahren: Roberto Rossellinis „Viaggio in Italia“ (1954) und Alfred Hitchcocks „Vertigo“ (1958). Rodowick, eigentlich Filmtheoretiker, Kritiker und Kurator, hat aus beiden Filmen alle männlichen Charaktere und so manche Szene herausgeschnitten und sie auf stumm gestellt. Zurück blieben zwei Frauen inGroßaufnahme: Ingrid Bergman inder Rolle der Katherine Joyce, wie sie durch Neapel fährt, die Stadt, antike Statuen und den Vesuv bestaunt; Kim Novak als Unternehmergattin Madeleine Elster beziehungsweise Verkäuferin Judy Barton, observiert von Expolizist Scottie Ferguson, wie sie im Wahn durch Kalifornien kurvt. Die eine betrachtet, die andere wird betrachtet. Eine dritte Arbeit schaltet noch weiter reduzierte Fassungen fast parallel, ineiner vierten sind die Szenen zu einem Video zusammengeschnitten. Immer stärker treten so die Details hervor und die Filme quasi ineinen Dialog mit dem prägnanten Motiv des sichdurch die Straßen schlängelnden Autos als verbindendes Element (bis 30. 9., Di.–Sa., 11–18 Uhr, Chausseestr. 116).