Kolumne vom 18. August 2016

Die nomadische Existenz des Künstlers ist Dreh- und Angelpunkt von Ahmet Öğüts Praxis. Vor Kurzem noch hat Öğüt die Galerie Wedding in seinen Arbeits-, Denk- und Ausstellungsraum verwandelt, jetzt hat er bei Decad ein neues temporäres Quartier für sein Studio gefunden. Der Projektraum ist kürzlich ins Ladenlokal im Vorderhaus gezogen, genug Platz für Öğüt, umzu arbeiten, seine Kunst aufzubewahren und um Gäste zu empfangen. Der Konzeptkünstler hat unter anderem 2009 den türkischen Pavillon der Venedig-Biennale bespielt, 2012 die Silent University initiiert, eine Wissensplattform für Geflüchtete und Asylsuchende mit akademischem Hintergrund, und in einer seiner jüngsten Arbeiten, der wortwörtlich zu verstehenden „Intern VIP Lounge“, im Centre Pompidou die Hierarchien des Kunstbetriebs umgedreht. Themen für Gespräche gibt es also genug, reguläre Öffnungszeiten hingegen nicht, aber nach Vereinbarung und mit Glück auch spontan kann man vorbeikommen (bis 23. 10., nach Vereinbarung: ao.projectcoordinator@gmail.com, Gneisenaustr. 52).

Gäste eingeladen haben auch die drei Weddinger Projekträume CopyrightUqbarund Kronenboden: anlässlich des Project Space Festivals den Belgrader U10 Artspace. U10 gibt es seit vier Jahren als einen der wenigen Kunsträume der serbischen Hauptstadt überhaupt. Gegründet von einer Gruppe junger Künstler_innen von der Szene für die Szene, bietet er Künstler_innen am Beginn ihrerKarriere ein Forum. In Berlinpräsentieren die Macher von U10 nun sich und ihre Kunst, darunter in Öl gemalter Millen­nial-Alltag von Marija Šević, ein Video von Nemanja Nikolić, das Fluchtszenen aus Hitchcock-Filmen mit jugoslawischer sozialistischer Literatur kombiniert, und fragile Porzellanobjekte von Isidora Krstić (bis 28. 8., Do.–Sa. 14.30–18.30 Uhr, Schwedenstr. 16).

Weiter inden Süden führte die Reise von Valinia Svoronou. „The glow pt. 2: gravity regimes“ – dank Kuratorin Rachel Walker nun bei Frankfurt am Main zu sehen – ist die Fortsetzung eines Projekts der Künstlerin auf der griechischen Insel Evia von 2015. InSkulpturen, Zeichnungen und einem Video untersucht Svoronou mit dem Blick der Anthropologin Ravekultur und Partytourismus anhand ihrerÜberbleibsel wie Knicklichtern und Zigarettenstummeln. Körper, die sichauf den Beat stupider Clubmusik biegen, verschwimmen mit subtilen Anspielungen auf menschliche Katastrophen, deren Schauplatz die griechischen Ferieninseln geworden sind. Dazwischen immer wieder Bilder kolossaler Felsen, Symbole der Unverwüstlichkeit der Natur (bis 11. 9., nach Vereinbarung: info@frankfurt-am.com, Wildenbruchstr. 15).