Regionale Landwirtschaft als Vorbild: Junge Galerien in Berlin

Erschienen in Die WELT am 6. April 2019 – online

Wie junge Galeristen versuchen, in Berlin der Krise zu trotzen. Drei neue Konzepte 

In vier Wochen dreht sich in der Kunst wieder alles um sie, die Berliner Galerien. Berlins schönste Alternative zum globalen Messemarathon, das Gallery Weekend, feiert die Galerie als Erfolgsmodell und ist außerdem selbst eins. Dabei sieht es in der Branche nüchtern betrachtet so rosig nicht aus. In den vergangenen Jahren musste die Szene Verluste verkraften. Einige Galerien schlossen, Silberkuppe zum Beispiel, Gillmeier Rech oder Arratia Beer, andere zogen weg.

Dennoch gibt es noch immer Menschen, die das Wagnis Galeriegründung auf sich nehmen. Noah Klink ist so einer. Im April 2017 eröffnete er seine erste Ausstellung in Berlin-Schöneberg. Fast zwei Jahre hat er schon hinter sich, die erste Zeit, in der man bangt, ob es überhaupt etwas werden kann. Kann es offenbar. Zumindest will Klink von Krise nichts wissen. „Dass Galerien wieder zumachen, ist eine normale Entwicklung“, sagt er. „Es gibt ja auch solche, die vor sechs, sieben Jahren eröffnet haben und immer noch auf dem Markt sind und weiter wachsen.“ Dann schiebt er aber doch noch hinterher, wie gesund es sei, die hohen Aufwände für eine junge Galerie, etwa durch teure Messen, nun endlich zu diskutieren.

Der 29-Jährige schenkt Kaffee aus, während er so spricht. Das gehört bei ihm quasi dazu. Statt eines Tresens, von dem aus Besucher taxiert werden, steht bei ihm eine echte Bar. Klink, gebürtiger Berliner, ist ein guter Gastgeber, er versteht seine Galerie als sozialen Ort, an dem er Menschen zusammenbringen möchte. Nicht nur durch Kunst, auch wenn die natürlich im Fokus steht, sondern auch mit Talks, Musik, Filmen, Essen.

So hat Noah Klink das schon immer gemacht. Eigentlich ist er nämlich schon ein alter Hase im Betrieb. 2012, direkt nach der Schule, startete er gemeinsam mit einem Freund seine erste Galerie, „Kings of B’s“ in Charlottenburg. Danach folgte der „New Art Club“ in Moabit. „Verkauft haben wir immer etwas“, sagt Klink. Leben konnten sie damals nicht davon. Dann, nach seinem BWL-Studium, entschied er, alleine weiterzumachen.

Und zwar „sehr sehr klassisch“. Der Kunstmarkt sei konservativ, glaubt Klink. Instagram, Websites hin oder her. „Am Ende ist es wichtig, dass die Leute in die Galerie kommen und den Kontakt zum Galeristen suchen.“ Und der ihnen dann sein Programm schmackhaft macht. Fünf Positionen vertritt Klink aktuell, manche schon seit Jahren, weil das für ihn dazugehört, wenn man eine Galerie betreibt, darunter das Duo Flame, deren Einzelausstellung er ab dem 24. April zeigt.

Im vergangenen Jahr nahm Klink erstmals an einer Messe teil, an der Liste in Basel. In diesem Jahr ist er dort wieder dabei, vielleicht wird noch eine weitere dazukommen, vielleicht auch nicht. Seine Strategie beschreibt er so: „Immer Schritt für Schritt. Kein zu hohes Risiko, aber auch kein zu niedriges. Schauen, was funktioniert und was man noch ändern kann.“

Organisch wachsen wollen auch Stefanie Sprinz und Juan Pablo Larraín. Vor anderthalb Jahren gingen sie mit Stadium an den Start. Die beiden, die in einem anderen Leben Kunst studierten, sie in Stuttgart, er in Chile, lernten sich in der Berliner Kunstszene kennen. Sprinz wollte damals schon eine Galerie eröffnen, Larraín zwei Jahre später auch. Weil man, wenn man etwas längere Zeit beobachte, es irgendwann selbst machen wolle, so Sprinz. Gemeinsam suchten sie nach Immobilien und fanden über Umwege einen schlauchförmigen Lagerraum in einem Hinterhaus an der Galerienmeile Potsdamer Straße.

Gerade eröffneten sie dort eine Schau der Videokünstlerin Francisca Khamis. Stadium zeigt nur Einzelausstellungen, abgesehen von der ersten im Dezember 2017. Nicht nur aus Platzgründen: Sprinz und Larraín wollen ihren ausschließlich jungen Künstlerinnen und Künstlern – die sie momentan noch nicht fest vertreten, weil es dafür noch zu früh wäre – so viel Raum wie möglich geben. „Viele Galerien wollen sich einen Namen machen, indem sie Kunst zeigen, die schon einen Namen hat. Wir nicht“, sagt Larraín. Auch die beiden Galeristen sind noch jung, er ist gerade 30 geworden, sie noch nicht ganz. Von Stadium leben können sie noch nicht. Sie arbeiten nebenher, Sprinz in Vollzeit.

Irgendwann soll sich Stadium zumindest selbst tragen, in fünf Jahren vielleicht. Schaffen wollen sie das, indem sie die Kosten gering halten. Ihre erste Messe war im Februar die Material in Mexiko-Stadt. Ihr Stand war dort in der günstigeren Sektion für Projekträume. Die Berliner Miete ist trotz Toplage gering, die Ausstellungen kosten nicht viel, ihre Künstler kommen meist aus Berlin, Deutschland oder Nachbarländern. Alles sei erschwinglich, „wie bei regionaler Landwirtschaft“, so vergleicht es Larraín.

Die geringeren Kosten waren auch für Lucas Casso einer der Gründe, warum er seine Galerie Sweetwater in Berlin – in einer Kreuzberger Altbauwohnung – eröffnete und nicht in New York, wo er zuvor lebte. „Für Räume dieser Größe müsste ich dort das Zehnfache an Miete bezahlen“, sagt er. Dieses Geld investiere er lieber in die Ausstellungen.

Die Karrierewege von Klink, Sprinz und Larraín mögen nicht unbedingt klassisch sein, Cassos ist es ganz und gar nicht. Der 28-Jährige hat in New York fünf Jahre als Investmentbanker gearbeitet. Aber: Kunstgeschichte studiert hat er. „Eine Galerie zu gründen ist etwas, was ich immer machen wollte“, sagt er. Nebenher war das aber unmöglich, also kündigte er seinen Job, zog nach Berlin und verbrachte seine ersten Monate damit, auf jeder erdenklichen Kunstveranstaltung aufzukreuzen und ein Netzwerk zu bilden. Seine Galerie eröffnete er mit Erspartem, die erste Ausstellung lief zur Art Week 2018, eine Einzelausstellung des Amerikaners Kayode Ojo.

Erfahrungen im Kunstbetrieb hatte Casso damals keine. Auch deshalb, so erklärt er, heiße seine Galerie nicht nach ihm, sondern nach einem verschollenen Ed-Ruscha-Gemälde. „Cecilia“, die aktuelle Gruppenausstellung in der Galerie, ist die erste, die Casso je kuratierte.

Wie Stadium hat Sweetwater noch keine Künstlerliste, aber potenzielle Kandidaten für ein Galerieprogramm. Wie Noah Klink nimmt Sweetwater im Juni an der Liste Basel teil. Nach nicht einmal einem Jahr. Es scheint ein wenig, als nähme Casso größere Schritte als die anderen, vielleicht weil er als Neuankömmling noch unbekümmerter ist. Wachsen wollen sie alle.

Beate SchederWelt, Kunst