Gallery Weekend 2019: Rundgang Charlottenburg

Erschienen in Monopol im April 2019

 

Alle wollen auf einmal nach Charlottenburg. Vor ein paar Jahren noch galt die City West, wo ein Galerist wie Clemens Hahnemann in der Fasanenstraße vor Jahrzehnten ein Kunstzentrum für Westberlin etablierte, als solide-schnarchig, inzwischen hat sie mit großbürgerlicher Grandezza die Herzen des Szenevolks erobert.

Die Liste der Neu-Charlottenburger wird jedenfalls immer länger. Auch darauf vermerkt: Wentrup, die Galerie Crone und Meyer Riegger – alle drei Teilnehmer des Gallery Weekends. Wentrup haben sich in ein schmuckes Backsteingebäude an der noch schmuckeren Knesebeckstraße eingenistet. Die ehemalige Postschalterhalle, erbaut im Jahr 1928, wurde von Sebastian Herkner, dem deutschen Produktdesigner der Stunde, so hübsch umgestaltet, dass sich die Kunst Mühe geben muss, dagegen anzustinken. Zum Gallery Weekend versuchen das Florian Meisenberg und David Renggli ganz klassisch mit Farbe auf Leinen, Canvas oder Jute. 

Neu in der Fasanenstraße ist die Galerie Crone und setzt dort ebenfalls auf Malerei. Clemens Krauss bestückt die gar nicht mal so großen Räume der Berlin-Rückkehrerin gleich mit 100 Ölgemälden. Jedes von ihnen zeigt pastos gepinselte Genitalien beschnittener oder verstümmelter Männer und Frauen. Krauss, von Hause aus auch Mediziner und Psychoanalytiker, zielt auf die Verletzlichkeit des Kindes und sensibler Körperregionen.

Streng genommen schon in Wilmersdorf liegt das neue Domizil von Meyer Riegger. Mitte März lud die Galerie nach zehn Jahren am unteren Ende der Friedrichstraße erstmals in das Gründerzeiteckhaus an der Schaperstraße. Jetzt lässt sie Daniel Knorr – genau, der Daniel Knorr, der zur documenta weißen Rauch über Kassel aufsteigen ließ – dieses in einer ortspezifischen Arbeit näher erkunden.

Auch Kicken schnuppert Westberliner Luft und macht am Fasanenplatz mit der Galerie Friese gemeinsame Sache. In den Beletage-Räumen Frieses treffen Gemälde von William N. Copley und Zeichnungen von Saul Steinberg auf Fotografien von Saul Leiter und Robert Frank. Ihr gemeinsames Thema: die Alltagskultur der US-amerikanischen Nachkriegsgesellschaft.

Zurück zur Malerei und damit zu CFA, die gleich mit zwei Ausstellungen zweier gleichaltriger Maler aufwartet: In den herrschaftlichen Wohnräumen im ersten Stock grüßen groteske Gestalten von den Leinwänden, darauf gemalt von Tal R. Im vergleichsweise cleanen Erdgeschoss hängen neue Arbeiten von Eberhard Havekost – solche die der Künstler „reproduktiv“ nennt (bei denen die Bildvorlage zu erkennen ist) neben solchen, die er „realistisch“ nennt (mit dem Farbspachtel aufgetragene Abstraktionen). Um es den Besuchern leichter zu machen, auch bei letzteren die Motive zu dechiffrieren, hat CFA eine Art Gebrauchsanweisung produziert, einen Katalog mit Texten zu jedem einzelnen Bild. Ein vorbildlicher Service.

Beate SchederMonopol, Kunst