Gallery Weekend 2019: Rundgang Mitte

Erschienen in Monopol im April 2019

 

Ein selten nutzloses Gebäude ist das „Haus“, das Peter Fischli und David Weiss 1987 bei den Skulptur Projekten Münster erstmals in den Stadtraum stellten: zu groß für ein Modell, zu klein, es zu bewohnen. Fischli und Weiss zielten auf die Mittelmäßigkeit spätmodernistischer Architektur ab. Heute, 30 Jahre später in Berlin-Mitte präsentiert, kommen einem davor eher die irren Auswüchse der Immobilienpreise in Berlin in den Sinn. Auch in den beiden anderen Ausstellungen bei Sprüth Magers werden Dinge neu verortet. Andrea Robbins und Max Becher halten auf ihren Fotografien fest, wie fremde oder ferne Bräuche zur Projektionsfläche werden. Reinhard Mucha wiederum arrangiert eigene frühere Arbeiten um.

Nächster Stopp in Mitte: Eigen & Art, wo Martin Eder und Signe Pierce gen Zukunft blicken. Eders dystopisch-malerischen Hässlichkeiten in der Galerie setzt Pierce im Lab ihren kreischbunten Technofeminismus entgegen – und das von allen Seiten und mit allen Sinnen. Immersion lautet das Stichwort. Tatsächlich Tauchen war wieder einmal Julian Charriére. Wer dessen Einzelausstellung in der Berlinischen Galerie mochte, findet gewiss schnell den Weg an den Rosa-Luxemburg-Platz zu Dittrich & Schlechtriem, wo Charriére Fotografien, Videoaufnahmen und Skulpturen installativ verwebt, die mit seinen Expeditionen in die Tiefen des Meeres vor Mexiko in Verbindung stehen. Dort ist die Unterwasserwelt zum Glück nicht atomar verstrahlt wie am Bikini-Atoll, dafür kaum weniger geheimnisvoll und mythisch aufgeladen.

Wie ja auch die Figur der Künstlerin. An dieser wie dem wachsenden Druck in der Karrierehölle arbeitet sich ums Eck bei BQ Raphaela Vogel ab. Wie die Beine einer zu groß geratenen Vogelspinne bohren sich Chromstangen durch die Galerie, ohrenbetäubender Noise dröhnt aus Boxen und mitten drin läuft ein Video mit Vogel selbst auf dem sprichwörtlichen Fels in der Brandung, im Morgenmantel, Akkordeon spielend.

Sich selbst in Szene setzen konnte auch James Lee Byars. Bis Ende Mai verlängert hat Kewenig ihre absolut sehenswerte Ausstellungen mit Werken des 1997 verstorbenen Exzentrikers und Künstlers. Im „Palace of Perfect“ glänzen ganze Räume vor Blattgold, auf einem seidigen Rüschenthron ruht der riesige Stoßzahn eines Narwals. Magischer könnte man den Mitte-Spaziergang kaum ausklingen lassen. 

Wer dennoch nicht genug hat, dem sei die erste Soloschau der Malerin Stefanie Heinze bei Capitain Petzel ans Herz gelegt, oder ein Besuch am neuen Standort von Konrad Fischer. Schon im vergangenen Jahr zum Gallery Weekend konnte man das denkmalgeschützte, ehemalige Umspannwerk in der Neuen Grünstraße besichtigen – allerdings noch vor dem Umbau. Nun ist alles zurechtgezimmert für die Kunst von Richard Long, der zum Einstand mit rotem Granit und Schlamm arbeitet – als Verweis auf die Backsteinfassade des Industriebaus. 

 

Beate SchederMonopol